Fotocredit: Thomas von der Heiden
Das Duo in der Rockmusik funktioniert nach dem Prinzip der Reduktion: Wer nur zu zweit auf der Bühne steht, setzt meist auf Akzente statt auf Flächen, auf Gerüst statt auf Schmuck. Weniger ist mehr, heißt dann notgedrungen die Devise.
Auch IEDEREEN kennen sich aus mit der Frage, was entsteht, wenn man immer mehr weglässt, bis nur noch zwei Sachen übrigbleiben: die Freundschaft und die gemeinsame Liebe zur Musik. Angefangen hat das Ganze in einem Sandkasten am Niederrhein, wo sich Ron Huefnagels und Tom Sinke das erste Mal als Kindergartenkinder treffen und direkt anfreunden. Eine typische Provinzjugend: IEDEREEN sind nicht die erste Band, der die Reizarmut und die Metropolenferne dabei hilft, fixe Ideen zu fördern. Wenn es hier nichts gibt, nehmen wir die Dinge eben selbst in die Hand, lautet das Credo der beiden, die zusammen in verschiedenen Bands spielen, bis sie nach Köln ziehen. Zum Studieren, zum Musikmachen, zum Ausprobieren.
Wo das Ganze musikalisch enden sollte, war lange unklar. Es gab eine Zeit, da stand die Tür ihres Proberaums in Köln ständig offen. Befreundete Musiker kamen und gingen, es wurde hier mal gejammt und dort jemand eingeladen. Du hast ein cooles Riff? Klar, komm vorbei. Du spielst Querflöte? Klingt interessant, lass das mal probieren. Aber etwas Greifbares kam nicht dabei heraus, einer nach dem anderen verabschiedete sich, und am Ende blieben nur noch Ron und Tom übrig. Und selbst die glaubten nicht mehr, dass es weitergehen würde. Der Mietvertrag für den Proberaum war schon gekündigt, als sich die beiden ein allerletztes Mal dort verabredeten. „Wir haben es einfach fließen lassen“, erinnert sich Ron. „Einfach Musik machen, ohne groß darüber nachzudenken.“ Irgendwas ist geschehen in diesem Moment. War es ein Funke? Ein Blitz? Ein Neurotransmitter, der ihr zentrale Nervensystem durcheinanderwirbelte? Fakt ist: Seit diesem Abend gibt es das Duo IEDEREEN.
„Ich geh k.o., brenne lichterloh“: Schon der Opener „GKO“ ihres Debütalbums fasst in wenigen Worten zusammen, worum es bei IEDEREEN geht. Um das Risiko, um die Verausgabung, um den Einsatz weit über das Maß hinaus. Wenn man nur zu zweit ist, muss man einfach mit höherem Engagement spielen, und es ist vor allem die Dringlichkeit und die Energie dieser Band, die einen direkt am Kragen packt. Das hat durchaus etwas von dem verzweifelten Ennui, den Bands wie die Fehlfarben oder Abwärts vor über 40 Jahren formulierten. Und das führt einen dann auch musikalisch auf die richtige Fährte. Denn IEDEREEN holen sich einen Teil ihres Inspirationsstoffs im Post-Punk der späten 70er und frühen 80er., als Bands wie Wire, Gang Of Four oder Devo für Aufsehen sorgten. Hier wird robotisch gegroovt, neurotisch gesungen, fatalistisch getextet – und das immer mit lockerer Faust, um den Zuhörern bei Bedarf schnell mal eine reinzimmern zu können.
Die Formel lautet dabei laut Ron „50 Prozent der Songs sind düster, 50 Prozent eher fröhlich.“ Tatsächlich ist es diese Balance, die IEDEREEN auszeichnet. Brachial und kompromisslos auf der einen Seite, harmonisch und eingängig auf der anderen. Am Ende geht es bei IEDEREEN nicht nur um Reflexion, sondern auch um den Augenblick, um den Moment des Schwindels, um die Körperlichkeit, um die Feier und den Hedonismus, letztendlich also – sagen wir, wie’s ist - ums Wegdröhnen und ums Ficken. Alte Punk-Tradition eben. Ihr habt den Alltag? Wir haben den Fluchtweg!
Zwei Menschen machen Musik und schauen mal, was passiert. Das Rezept, nach dem IEDEREEN handeln, klingt simpel, und es hat sich seit diesem einen Abend im Proberaum, ja eigentlich seit dem ersten Treffen im Sandkasten auch nicht großartig verändert: Freundschaft ist die Basis, Kreativität das Ergebnis.